SPIEL IST EIN
HUNDERECHT!
Brächte die Regierung eine Sammlung von Grundrechten für Hunde heraus,
sollte das Recht zu spielen definitiv darin verankert sein.
Spiel ist sowohl aus mentaler als auch körperlicher und sozialer Sicht
enorm wichtig. Lassen Sie uns gemeinsam mit der erfahrenen
Hunde-Verhaltensberaterin Nadia Winter das spannende Thema erkunden!
Text: Lena Schwarz
Laut der deutschen Tierschutz-Hundeverordnung haben wir unseren Hunden nicht nur "ausreichend Auslauf im Freien" und "mermahls täglich in ausreichender Dauer Umgang" mit uns zu gewähren, sondern auch regelmäßig den "Kontakt zu Artgenossen zu ermöglichen". Das Spielen können wir mit einer Portion guten Willens in diese Formulierungen hineininterpretieren, wörtlich steht allerdings in keinem der Paragrafen etwas davon. Womöglich klang es den Verfassern - Achtung, Kalauer-Alarm - ja zu verspielt. Spelen ist bei uns Menschen oft ausschließlich Kindersache. Ernst nehmen sollten wir seine Bedeutung aber mit Blick auf das Wohl unserer Lieblinge jeden Alters, denn es ist alles andere als "Kinderkram"!
Was Spielen bringt
Spiel ist eine freudige und interaktive Aktivität - es macht Spaß und sorgt dafür, dass die Beteiligten sich gut fühlen. Die Liste der "Benefits", wie es Neudeutsch gerne heißt, ist aber um einiges länger. "Hunde spielen z.B., wie andere Lebewesen auch, um eine gewisse körperliche Fitness zu erlangen - um Muskulatur aufzubauen und zu trainieren", sagt Nadia Winter. Sie hat 20 Jahre lang die Hundeschule Frei Schnauze in Karlsruhe geleitet. Mittlerweile betreibt sie das Naturforsthaus, ein Hotel für Menschen mit Hunden in Kärnten, und bietet dort auch Seminare rund um den Hund sowie Trainings an.
Gewisse motorische Fähigkeiten und Koordination können sich die Vierbeiner im Spiel ebenfalls erarbeiten. Gerade junge Tiere bekommen die Gelegenheit, sich aufs Leben und seine Anforderungen vorzubereiten. "Auch kognitive Fähigkeiten können die Hunde übers Spielen ausbauen", ergänzt Nadia. Eine Art Training ist Spiel auch im Zusammenleben mit Artgenossen: "Es kann den Tieren dabei helfen, sich innerhalb ihrer Gruppe besser zu verständigen." Gerade bei Welpen sind mit Gruppe die Geschwister, Mutter und etwaige weitere Rudelmitglieder gemeint. Darüber hinaus dient Spiel dazu, die Bindung zu anderen Lebewesen - wie zum Menschen - zu stärken.
Das Jagen wird ebenfalls spielerisch trainiert und ausprobiert, auch wenn der kleine Carni-Omnivore sich später nicht selbst versorgen muss. Um hier bereits kurz vorzugreifen: Ein Welpe, der jagdliches Interesse mitbringt, später aber nicht als Jagdhund arbeiten soll, sollte dazu nicht übermäßig die Möglichkeit bekommen oder auch dazu motiviert werden.
Verfolgt und packt er Blätter, mag das anfangs süß aussehen. Daraus kann aber recht flott mehr werden: Der Jungspund baut seine Fähigkeiten aus und kommt schon früh in den Genuss des Hormoncocktails, den sein Körper ausschüttet und er das Jagen so stark selbstbelohnend macht.
"Spiel kann Hunden auch die Möglichkeit geben, Stress abzubauen und sich zu entspannen", ergänzt Nadja unsere Liste. Nicht nur, aber insbesondere für Vierbeiner mit Job - z.B. Schul- oder Therapiehunde - ist das sehr wichtig. "Beim Spielen werden Endorphine freigesetzt, die ein Gefühl von Wohlbefinden und Glück vermitteln können." Das ist auch im Training relevant: "Neurologisch gesehen werden während des freudigen Lernens bestimmte Transmittersysteme angeschaltet. Sie helfen dem Hund, Informationen schneller und besser ins Lanzeitgedächtnis zu übertragen. Bei Stress hingegen wird dieser Weg versperrt und der Gedächtnisaufbau so verhindert." Nicht zuletzt könne Spiel bei der Hundebegegnung auch zur Deeskalation von Situationen dienen.
Früh übt sich
Wachsen Welpen im Familienverbund auf, bekommen sie wichtiges Know-how schon früh mit: "Die Mutterhündin spielt eine erhebliche Rolle beim Erlernen von Spielverhalten", weiß Nadja. "Sie interagiert mit ihren Welpen und bringt ihnen durch ihr eigenes Spielverhalten bei, wie man spielt und sich angemessen verhält. Die Kleinen beobachten ihre Mutter genau und ahmen sie nach." Auf welche Weise und auch wie viel Hunde spielen, wird zudem von Faktoren wie der individuellen Persönlichkeit beeinflusst: "Nicht alle Hunde haben die gleiche Spielweise."
Chance verpasst?
Leider darf nicht jeder junge Hund spielen lernen, etwa weil er allein und ohne Ansprache aufwachsen musste. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es für ihn im Erwachsenenalter zu spät ist. "Hunde sind grundsätzlich lernfähig und können neue Verhaltensweisen unabhängig von ihrem Alter erlernen", betont Nadia. "Sie können auch lernen zu spielen, wenn sie das in jungen Jahren nie getan haben und isoliert großgeworden sind." Allerdings werden sie nicht unbedingt gleich kompetent spielen und kommunizieren wie Artgenossen, die bereits mit der Mutter und den Geschwistern sowie eventuell in einer gut zusammengestellten und geführten Welpengruppe wichtige Erfahrungen sammeln durften.
Wenn Hunde nicht spielen
Von einem Augenblick zum anderen werden sich die meisten solcher Vierbeiner aber nicht in ausgelassene Meister des Spielens verwandeln: "Sie sind möglicherweise zunächst unsicher oder ängstlich. Es ist ratsam, ihnen Zeit zu geben, sich an ihre neue Umgebung und ihr neues soziales Umfeld zu gewöhnen", weiß die Expertin. Geduld und eine positive Herangehensweise sind entscheidend, um das Vertrauen des Hundes zu gewinnen und ihn dazu zu ermutigen, zu spielen."
Erlebt hat Nadja das auch mit einem ihrer Hunde: "Sammy ist in einem Käfig aufgewachsen und mit einem halben Jahr zu uns gekommen. Man könnte jetzt sagen, das sei immer noch früh genug, aber sie hatte deutliche Spieldefizite gegenüber den anderen Hunden, die schon als Welpen bei uns waren oder eine gute Mutterstube hatten. Sie war weder mit dem Spiel mit Artgenossen noch mit Menschen vertraut. Während andere Hunde spielten, kannte sie nur das Rammeln. Sehr lange war sie nicht dazu in der Lage, sich auf ein echtes Spiel einzulassen, auch wenn sie gern mitmachen wollte. erst im Alter von 5 bis 6 jahren veranstaltete sie hier und da Rennspiele."
Ihr Hund weiß mit Spiel auch (noch) nicht wirklich etwas anzufangen? "Es kann hilfreich sein, mit einfachen Spielen zu beginnen, welche auf die natürlichen Instinkte des Hundes abzielen", sagt Nadia. Dazu gehören etwa das Apportieren von Spielzeug oder Suchen versteckter Leckerlis. "Durch positive Verstärkung und Belohnung für spielerisches Verhalten kann der Hund nach und nach lernen, dass Spielen Spaß macht und eine positive Erfahrung ist." Zudem sei es empfehlenswert, eine:n Hundetrainer:in oder Verhaltensberater:in hinzuzuziehen, der oder die bei der Anleitung und Unterstützung des Hundes in seinem Lernprozess helfen könne.
Spiel und Mobbing
Insbesondere für Hundtrainer:innen, die z.B. gruppen anleiten, ist es enorm wichtig zu verstehen, wo die Grenzen liegen zwischen Spiel, das allen Beteiligten Spaß macht, und Mobbing, bei dem ein einzelner Hund "einstecken muss". Aber auch reguläre Hundehalter:innen können ihren blick dafür schulen, um Situationen wenn nötig zu beenden. Der erste Schritt ist, seinen Liebling gut lesen zu können: "Sie sollten Ihren Hund kennenlernen und seine Sprache kennen", sagt Nadia. "Jeder hat sein persönliches Repertoire und individuelle Vorlieben. Manche Hunde spielen z.B. etwas grober miteinander und zeigen mehr Zähne, andere bevorzugen eher Rennspiele."
Darüber hinaus sollte die Aufmerksamkeit auf den interagierenden Hunden bleiben. "Spiel zeichnet sich durch Gegenseitigkeit aus", erklärt die Hundefachfrau. Einmal liegt beispielsweise der eine Vierbeiner am Boden oder läuft davon, dann wechselt das. "Außerdem ist im Spiel häufig alles übertrieben. Dazu zählt die Mimik: Die Lefzen sind ganz hinten, die Augen weit aufgerissen, die Zähne werden gezeigt." Des Weiteren sind extensive Bewegungsmuster zu sehen.
Bemerken Sie, dass die Interaktionen nicht mehr so wechselseitig sind, z.B. immer nur ein Hund laut ist, umherrennt und sich auf den anderen stürzt, ist das kein Spiel mehr - "zumindest nicht für den, der unten liegt oder die Rute unten trägt", sagt Nadia. Ein Hund kann auch Unwohlsein zeigen, indem er sich duckt, die Ohren anlegt oder den Blick abwendet. Bei starkem Hecheln oder Schwäche sollten Sie das Spiel ebenfalls beenden: "Hunde können manchmal so sehr in ihr Spiel vertieft sein, dass sie über ihre Grenzen hinausgehen und erschöpft werden. Das sind mögliche Zeichen dafür", erläutert Nadia. Einzuschreiten ist zudem, wenn ein Hund aggressives Verhalten zeigt - wie festes Beißen, Anspringen oder Drohen. "Sie können eine Situation unterbrechen, indem Sie durch die Spielenden gehen oder die Hunde mit einem lauten Geräusch wie einem Klatschen, einem guten Abbruchsignal oder einem Heranrufen auseinander bringen", sagt Nadia. "Trennen Sie die Hunde vorsichtig und beruhigen Sie sie, um ihnen zu zeigen, dass das Spiel zu rau war."
Wer mit wem?
Manche Vierbeiner spielen bevorzugt mit Artgenossen, die ihnen ähneln und vergleichbare Fähigkeiten sowie Spielweisen mitbringen. Wer Windhunde schon mal bei ausgelassenen Rennereien beobachtet hat, wird das bestätigen. Hunde müssen sich aber nicht unbedingt ähnlich sein, um zu spielen. Die Voraussetzung: Sie sollten die Möglichkeit bekommen (haben), verschiedene Rassen, Größen und Varianten von Hund zu erleben. Je nach den gemachten Erfahrungen und auch des Trainingsstandes können sich zudem Veränderungen ergeben.
"Hunde haben die bemerkenswerte Fähigkeit, sich an unterschiedliche Spielstile und Kommunikationsweisen anzupassen, um mit anderen zu interagieren" weiß Nadia. "Sie können ihre Körpersprache, ihren Ausdruck und ihre Taktiken verändern, um mit Artgenossen verschiedener Rassen oder Merkmale zu kommunizieren." Das gilt auch für Hunde, die etwa aus gesundheitlichen Gründen auf Hilfsmittel angewiesen sind. Nadias Hündin Maggie z.B. trägt seit kurzem aufgrund einer Sonnenlichtunverträglichkeit eine verspiegelte Sonnenbrille. "Die anderen Hunde beäugten sie und schnüffelten kurz an ihr, dann wurde weitergespielt." Auch auf Rollis angewiesene Tiere können in Spiele eingebunden werden.
Nichtsdestotrotz sollten wir beachten, dass nicht alle Hunde die gleichen Vorlieben und Interessen haben. "Während die einen eben gern Rennspiele veranstalten, bevorzugen es andere, mit Spielzeug zu spielen oder sich auf andere Weise zu beschäftigen", sagt Nadia. das ist okay, erzwingen sollten wir nichts. Vergleichen lasse sich das mit einem Spieleabend unter Freunden: "Der eine mag Brettspiele, der andere Kartenspiele. In einer Runde spielt man mit, die andere lässt man aus.
2 Hunde, kein Spiel
Manchmal wird die Familie um einen Zweithund erweitert, die menschliche Vorfreude auf schön miteinander spielende Vierbeiner aber enttäuscht. "Geben Sie den Tieren zeit" lautet einer von Nadias Tipps. "Manche Hunde brauchen einfach eine Weile, um sich aneinander zu gewöhnen und zu binden. Lassen Sie ihnen Raum zum Beschnuppern und Vertrauensaufbau."
Der nächste Rat: "Gehen Sie mit beiden Hunden gemeinsam spazieren. So bekommen sie die Gelegenheit zu lernen, in der Nähe des anderen zu sein." Das könne helfen, ihre Beziehung zu verbessern und das Spielen zu fördern. Drittens sei es sinnvoll, seperate Spielzeiten anzubieten, wenn die Hunde nicht gern gemeinsam spielen. "Beschäftigen Sie sich mit jedem Hund einzeln und geben Sie ihnen die Möglichkeit, ihre Energie auf die eigene Weise auszuleben." Außerdem sei Beobachtungsgabe gefragt: "Achten Sie darauf, ob es bestimmte Auslöser gibt, die das Spielen verhindern. Manche Hunde mögen z.B. keine rauhen Spiele oder sind territorial, wenn es um ihr Spielzeug geht. Versuchen Sie, diese Auslöser zu identifizieren und entsprechend zu handeln."
Wollen Ihre Hunde trotz Ihrer Bemühungen nicht miteinander spielen, hilft eventuell eine externe Perspektive: "Ein professioneller Trainer kann das Verhalten beurteilen und spezifische Ratschläge geben, wie sich die Situation verbessern lässt." Manchmal bleibt aber auch einfach nur die Erkenntnis: "Das wird nichts und ist auch in Ordnung so." Ausgeschlossen werden sollten immer körperliche Beschwerden: Geht es dem Hund nicht gut, möchte er auch nicht spielen.
Mensch-Hund-Spiele
Manche Hunde spielen lieber mit Artgenossen, andere bevorzugen ihre Menschen. Als Spielpartner sollten wir zum einen sicherstellen, für den jeweiligen Hund geeignete Spielzeuge zu wählen. "Vermeiden Sie Gegenstände, die leicht zerstört werden können oder verschluckbare Teile enthalten", rät Nadia. Zum anderen sei es wichtig, Grenzen zu respektieren, den Spieltrieb des Hundes nicht zu überfordern und dem Tier keine Beschäftigungsmodelle überzustülpen, nur weil sie uns selbst gefallen. Die Hundefachfrau rät darüber hinaus zum Einsatz positiver Verstärkung während des Spiels wie Lob, Streicheleinheiten oder Leckerlis. Das helfe, eine positive Verbindung zum Spiel herzustellen und den Hund zu ermutigen, weiterhin aktiv und engagiert zu sein. Ein Spiel ist wechselseitiges "Geben und Nehmen", daher darf der Hund auch ruhig ein Spiel gewinnen. das stärkt sein Selbstbewusstsein und seine Fähigkeit, Probleme zu lösen. Eine einladende, authentische Körpersprache vonseiten des Menschen ist wichtig.
Natürlich sei auch die körperliche Verfassung des Tiers zu berücksichtigen: "Ältere Hunde oder solche mit gesundheitlichen Problemen benötigen möglicherweise weniger intensive Spiele, während junge und energiegeladene Hunde mehr Bewegung und Aktivität brauchen.Manche Hunde strengen zudem lieber ihren Kopf an und lösen Rätsel.
Ihr Vierbeiner steht nicht so auf Spiele mit ihnen? "Es ist normal, dass Hunde unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben haben, wenn es ums Spielen geht. Einige sind von Natur aus weniger verspielt,. Solange Ihr Tier gesund ist, genug Bewegung bekommt und sich wohl fühlt, ist es in Ordnung, wenn es nicht so viel Interesse am Spiel zeigt", kann Nadia beruhigen. Es sei eben wichtig, die Individualität zu respektieren und dem Hund die Möglichkeit zu geben, auf seine eigene Art und Weise zu entspannen und sich zu amüsieren. "Sie können auf viele andere Weisen eine enge Bindung zu Ihrem Hund aufbauen, wie gemeinsame Spaziergänge, Kuschelzeit oder Trainingseinheiten.
Spiel und Sport
Mit der gezielten Wahl von Spielarten und Aktivitäten lassen sich Bereiche fördern, die dem Hund nicht unbedingt von Natur aus liegen. "Ruhigere, lethargischere Vierbeiner dürfen ruhig mal ein bisschen aus sich herauskommen", sagt Nadia. "Mit ihnen können wir etwas unternehmen, dass sie eher erregt". Dahingegen eigneten sich ruhigere Optionen eher für Hunde, die eine überbordende Liebe für Action mitbringen. "Na klar sind z.B. viele Border Collies und Aussies bei Agility & Co. mit Feuereifer dabei. Wird das aber übertrieben, schafft es der Hund eventuell nicht mehr, zur Ruhe zu kommen." Wer die Balance nicht findet, kann schnell ins Suchtverhalten abrutschen - die wohl bekannteste Version davon ist der "Ball - Junkie", dem außer seinem Spielzeug nichts wichtig ist und der keine mentalen Kapazitäten für den Rest seiner Umwelt frei hat.
Beim Spiel zwischen Mensch und Hund sind Verlässlichkeit und das Gefühl von Sicherheit nicht zu unterschätzen. Weiß ein Hund, dass er sich auf seinen Zweibeiner verlassen kann und bei ihm sicher ist, wird er sich besser entspannen und einfach mal "loslassen" können, um unbeschwert Spaß zu haben. Ein entspannter und achtsamer Hundeführer ist ein sicherer Bezugspunkt auch in kritischen Situationen.
Vorsicht geboten ist laut Nadia, wenn ein Hund nur zum Spiel auffordert, um Aufmerksamkeit zu bekommen oder unerwünschtes Verhalten zu zeigen. "Das sollte nicht belohnt werden", betont die Expertin. "Es ist besser, dem Hund andere Wege zu zeigen, um seine Bedürfnisse zu erfüllen und ihm klare Richtlinien für das Spiel zu geben."
Negative Erfahrungen
Leider kommt es vor, dass Hunde schlechte Erfahrungen mit Artgenossen machen, etwa im Freilauf "überrannt" werden. Das kann weitreichendere Folgen haben als eine Zurückhaltung bei Spielen, sich etwa zu einer Leinenaggression entwickeln, über die unangenehme Kontakte vermieden werden sollen. "Ich habe 3 Labradore und höre sehr oft: `Mein Hund spielt nicht gerne mit Labradoren´ oder `Mein Hund mag keine Labradore´, berichtet Nadia. "Meine Hunde haben das Rasse-Handbuch gar nicht gelesen und müssen andere nicht unbedingt zwangsbespaßen. Natürlich zeigen sie Interesse, wenn ein Hund kommt, aber sie merken auch schnell, wenn das nicht gewünscht ist oder das Gegenüber überfordert. Ich denke, das ist einerseits eine Erziehungssache und andererseits eine gewisse Verhaltenssynchronisation vom Mensch auf den Hund."
Ein Vierbeiner, der einfach nur auf die Hundewiese geschickt werde, machen dürfe, was er wolle und alles umniete, lerne so nie vernünftiges Spiel. "Ein Spiel darf angeleitet sein", betont Nadia. "Wenn ich sehe, dass ein Rabauke permanent einen anderen Hund in die Mangel nimmt, mag das für manche erst mal wie Spaß aussehen. Für den, der ständig untergebuttert wird, ist das aber vielleicht ein furchtbares Erlebnis." Der Hund generalisiert solche Erfahrungen schnell und möchte mit Artgenossen, die dem problematischen ähneln, nichts zu tun haben. Ein guter "Social Support" seitens des Menschen ist dabei völlig in Ordnung.
Unsere Verantwortung
Passiert so etwas, lag das nicht an einer Rasse, sondern am unaufmerksamen Menschen. Dass im Zusammenhang negativer Erfahrungen die erwähnten Labradore öfter beteiligt zu sein scheinen, hängt vielleicht einerseits davon ab, dass es schlichtweg sehr viele von ihnen gibt. Andererseits haben sie das Pech, den Stempel "nette Hunde" bekommen zu haben. Das verleitet manche Frauchen und Herrchen zur Annahme, dass sie in Sachen Spiel und Kontakt zu anderen Hunden wenig oder gar nichts tun müssen. Das ist aber nicht immer der Fall. Innerhalb jeder Rasse gibt es nette und unfreundliche Vertreter, sanfte und Rabauken.
Wir haben es in der Hand, Begegnungen entspannt zu gestalten und zu entscheiden, ob Spiel in den Karten ist oder nicht. "Für meine Maggie ist es z.B. toll und wichtig, andere Hunde erst einmal an der Leine kennenzulernen", weiß Nadia. "Mit einer `Das machen die schon unter sich aus´- Mentalität wäre ihr überhaupt nicht geholfen. Sie wurde selbst als junger Hund ´niedergewalzt´ und braucht bei ersten Begegnungen die Sicherheit, bei mir zu sein."
Deshalb darf sich die Labrador-Dame andere Hunde während eines Spaziergangs oder bei Begegnungen auf dem Gelände zuhause an Nadias Seite, also vom sicheren Hafen aus, anschauen und Kontakt aufnehmen. "Wenn das für sie gut aussieht - das erkenne ich anhand ihrer Körperhaltung und -sprache -, kann ich sie ableinen", erklärt Nadia. Wird hingegen klar, dass ihre Hündin sich nicht wohlfühlt, ruft die Expertin Maggie aus der Situation heraus. "Als eigene Stresslösungsstrategie stellt sich Maggie inzwischen aber auch von allein hinter mich, oder zieht sich, wenn wir zuhause sind, von draußen ins Haus auf ihre Decke zurück." Solche Strategien zu tainieren - denn sie wollen erlernt werden - kann also sehr sinnvoll sein.
Welpen- und Spielgruppen
Ob er noch sehr jung ist oder schon etwas älter, ein Hund profitiert davon, unterschiedliche Artgenossen in einem sicheren Umfeld, begleitet von einer fachkundigen Person kennenzulernen und gute Spielerfahrungen zu sammeln. "Ob im Verein oder der Hundeschule: Gerade die Welpengruppen muss die beste Person leiten", betont Nadia. Wenn sie in ihrer Hundeschule Welpen- oder Spielgruppen anbot, bestanden diese aus maximal 6 bis 8 Hunden "und wir waren meist 2 oder 3 Trainer." So konnten sie nicht nur die Tiere genau beobachten, sondern auch die Menschen anleiten. Die mussten nämlich gerade anfangs in Bewegung bleiben, damit kein Hund an einem "Diskussionsherd" hängenblieb. "Immer, wenn Leute stehen bleiben und sich einander zuwenden, können sich ihre Hunde nicht von ihnen trennen. Da wird es irgendwann krachen", erklärt Nadia auch ihren heutigen Trainingskunden.
Manchmal hat ein Hund auch schon vor Ende der Stunde genug oder nur wenige Minuten nachdem wir ihn auf die Wiese zu den anderen geschickt haben. Wir tun gut daran, das zu respektieren - auch wenn wir z.B. für den vollen Zeitraum bezahlt haben. Spiel und Kontakt sind schön, aber eben nur, solange sie auch Spaß machen. Mit etwas Übung erkennen wir die Zeichen dafür gut. Und das sollte ja schließlich auch ein Grundrecht unserer Hunde sein: Menschen, die stets ihr Bestes im Sinn haben und auch so handeln.
(DER HUND 3/24; Seiten 33 bis 37)